Der assoziative Dialog am Beispiel von Herrn D.
eine Gesprächsrunde mit Studenten der KH Freiburg
In meiner Lehrtätigkeit an der katholischen Hochschule in Freiburg unterrichte ich kreatives Schreiben, darunter findet auch biografisches Schreiben statt. Meine Arbeit mit demenziell veränderten Menschen beschäftigt sich mit der Wortbiografie.
Mit Herrn D., früher selbst im Lehrbereich tätig, haben wir einen Dialog zwischen ihm und Studenten der KH Freiburg geplant. Er war begeistert von der Idee, dass Studenten zu ihm kommen, um sich mit ihm zu unterhalten.
Die an der Dialogrunde teilnehmenden Studenten erhielten vorab eine Einführung in die Grundlage des assoziativen Dialogs. Ziel des Experimentes war es, den Teilnehmenden aufzuzeigen, welche Möglichkeiten der Kommunikation im assoziativen Dialog stecken.
Wie auch in den wöchentlichen Einzelsitzung mit Herrn D. sollte das WORT als Ausgangslage genutzt werden. Textauszüge aus Herrn D. 's Erzählmappe sollten vorgelesen werden. Das WORT der Sitzung würde auch das Wort zum Einstieg mit den Studenten werden.
Wir wählten Texte und Gedichte aus, die Herr D. verfasst hatte und die auch in seinem Zimmer in Bilderrahmen an der Wand hingen.
Sie mögen sich jetzt fragen, ob Herr D. wusste was wir vor hatten, als ich ihn zur Runde abholte?
Nein, er hatte vergessen, dass ich komme.
Und die Texte? Was ist mit seinen, schon vor Monaten entstandenen Texten?
Sicher erinnert er sich nicht daran, dass wir uns zum Beispiel für eine Stunde über das Wort Vertrauen unterhalten hatten. Doch wenn er seine Worte, seine Aussagen hörte, erkannte er sie immer wieder.
Wie kommt das?
Die Mitschriften dieser Gespräche sind nicht an Fakten gebunden. Sie wurzeln in den Gefühlen und in dem Erleben - dem Wahrnehmen des Moments. Hieraus entstehen Sprachbilder der Wahrnehmungsebene, Gefühle finden Ausdrucksbilder.
Hörte er diese zu einem späteren Zeitpunkt erkannte er das Gefühl, das darin verborgen lag.
Er "fühlbegreift" seine eigenen Worte.
Begegnungen
zwischen jung & alt - zwischen erinnernden & vergessenden Menschen
Ich freue mich, dass meine Gedanken festgehalten werden und nicht so dahin geschwätzt bleiben!
Vertrauen
Vertrauen löst Zufriedenheit aus.
Bei Misstrauen muss ich acht geben!
Ich darf mich nicht zu sehr äußern.
Was benötigen Sie, damit Sie Vertrauen fassen können?
Es setzt Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit voraus.
Nur daraus kann Vertrauen fließen,
fließen zwischen den Menschen.
Vertrauen lässt einen aufgehoben sein.
Vertrauen gibt Sicherheit,
sowohl mit sich selbst,
als auch mit anderen.
Vertrauen fließt
ein Wasserlauf
Beruhigung
keine Katarakte
keine Stromschnellen
Vertrauen
ein Flusslauf
er fließt
ruhig und gleichmäßig
Der Nil hat Katarakte, erster, zweiter, dritter Katarakt; so teilt man ihn ein.
Das habe ich über Ägypten gelernt, das weiß ich noch heute.
Der Text und die Bilder zeigen, wie sehr die Fähigkeit von Herrn D., den Moment zu leben, die Erinnerungslücken in den Hintergrund treten ließen.
Auch die teilnehmenden Studenten waren beeindruckt:
So viel steckt in diesem netten alten Herrn! A. Scholz, Studentin der Kh
Es hat mich wirklich erstaunt, dass ein Dialog in dieser Form möglich wird. Auch seine Texte haben mich sehr berührt und nachdenklich über die eigenen Annahmen, zum Alter, zum Vergessen gestimmt.
Katharina Studentin der Kh
Im Namen von Herrn D. und den Studenten des Biografieseminars 2011/2012 und mir, ein ganz herzliches Dankeschön an die Pflegeeinrichtung des evangelischen Stifts in Gundelfingen. Ganz besonders an Frau Aufmuth, die uns die Räumlichkeiten der Tagespflege zur Verfügung stellte.